BSG Wismut Gera
Vor 40 Jahren: Wismut in der Oberliga

Gera. „Gera in der Oberliga", titelte die Neue Fußballwoche (Fuwo) am 5. Juli 1977. Drei Tage zuvor hatten sich die Wismut-Kicker mit einem 1:1 gegen die bereits als Aufsteiger feststehende Elf von Chemie Böhlen am letzten Spieltag der Oberliga-Aufstiegsrunde den Sprung in die höchste DDR-Spielklasse gesichert. Wismut-Urgestein Udo Korn hatte die Orange-Schwarzen mit dem Pausenpfiff in Führung gebracht, ehe Böhlens Schneider vor 16 000 Zuschauern eine Viertelstunde vor Schluss ausglich.

Kaiser: Böhlen war nicht unser Lieblingsgegner

„Von Böhlen haben wir damals nichts geschenkt bekommen. Die waren zuvor spielfrei, waren deshalb schon 14 Tage im Urlaub und kamen braungebrannt in Gera an. Das war ein ganz schöner Krampf. Böhlen war ohnehin nicht unser Lieblingsgegner. Die hatten mit Zaspel, Köditz und Hubert einige schnelle Stürmer, die uns das Leben schwer gemacht haben", erinnert sich Matthias Kaiser, der mittlerweile 61-jährig in Leumnitz zu Hause ist. Damals war er gerade 21 und hatte seine fußballerische Laufbahn noch vor sich. Durch die Saison in der Liga-Staffel E war die Wismut-Elf recht souverän marschiert.

Mit dem aus Jena gekommenen Nationalspieler Harald Irmscher, der allerdings ein halbes Jahr zum Reservistendienst einberufen wurde und in dieser Zeit fehlte, übernahm die Wismut-Elf nach Siegen gegen Veilsdorf (5:0) und Nordhausen (4:0) von Anbeginn die Tabellenführung.

Matthias Kaiser, mittlerweile 61-jährig, erinnert sich an den letzten Aufsteieg der BSG Wismut Gera in die Oberliga vor genau 40 Jahren.   (Foto Jens Lohse)

Schärfster Konkurrent im Kampf um den Staffelsieg war Motor Suhl. In der Rückrunde mussten die Geraer im vorentscheidenden Spiel um Platz eins in Südthüringen antreten. Wismut hatte zwei Punkte Vorsprung Vor 6000 Zuschauer lag die Elf des Auer Ex-Kapitäns Dietmar Pohl, der in Gera seine erste Trainerstation absolvierte, schon mit 0:2 im Hintertreffen, ehe Bernd Krauß (64.) und Udo Korn (88.) noch zum 2:2 ausglichen. Am Ende lag Wismut vier Zähler vorn. Die größte Kulisse im Stadion der Freundschaft gab es beim 3:1-Erfolg gegen Fortschritt Weida mit 6500 Zuschauern. Heinz Zubek wurde mit 17 Treffern Torschützenkönig der Liga-Staffel E. In der Aufstiegsrunde warteten die Chemie-Teams aus Leipzig und Böhlen, Vorwärts Stralsund und Stahl Hennigsdorf. Anders als 1974 und 1975, als Wismut gescheitert war, sollte der Sprung ins Oberhaus diesmal gelingen. Schlüsselspiel war die Auswärtspartie bei Chemie Leipzig im Georg-Schwarz-Sportpark, wo die Pohl-Elf den Leutzschern nach Udo Korns Ausgleich ein 1:1-Unentschieden abtrotzte.

Nach kurzer Pause ging es für die Wismut-Elf in die Sommer-Vorbereitung. Kaum zwei Wochen nach dem letzten Pflichtspiel standen die Geraer schon wieder auf dem Platz. „Die großen Verstärkungen blieben aus. Finanziell wäre das schon machbar gewesen. Aber auf der einen Seite war der FC Carl Zeiss Jena , auf der anderen Wismut Aue. Beide waren uns übergeordnet – und wir irgendwo dazwischen eingeklemmt. Damit war von vornherein klar, dass wir vor einer sehr schweren Saison standen", erinnert sich Matthias Kaiser, der damals der zweitjüngste Spieler im Geraer Oberliga-Kader war. Und dennoch war er der später einzige Wismut-Spieler der alle Oberligapartien bestritt, nicht einmal ausgewechselt wurde. Neu hinzu kamen Werner Schorrig (Aufbau Schwedt), Günther Schmidt, Matthias Blaseck (Stahl Riesa) sowie Matthias Grüner und Peter Lengert (beide FC Carl Zeiss Jena II). Negativ sollte sich bemerkbar machen, dass mit Joachim Posselt und Bernd Krauß zwei Leistungsträger der Aufstiegssaison nicht für die Oberliga spielberechtigt waren, weil sie die Führung des DDR-Fußballverbands wegen „Vergehen" aus der Vergangenheit für den Leistungsfußball gesperrt hatte.

Der Auftakt in die Saison machte den Geraer Anhängern Hoffnung. „Beim 0:0 gegen Rot-Weiß Erfurt hatten wir noch etwas Glück. Die Unentschieden gegen Karl-Marx-Stadt und Vorwärts Frankfurt waren dann aber verdient", weiß Matthias Kaiser noch. Zum ersten Mal seine Grenzen aufgezeigt, bekam Wismut vor 17 000 Zuschauern beim 0:4 gegen den 1. FC Magdeburg. Danach ging es bergab. 1:3 verloren die Geraer bei Chemie Böhlen. Beim BFC Dynamo gab es beim 0:6 die höchste Saisonniederlage. Im Bezirksderby bei Carl Zeiss Jena hielten die Geraer unter Flutlicht eine Halbzeit lang mit, kamen dann aber noch mit 1:5 unter die Räder. Beim 2:4 gegen Meister Dynamo Dresden verkaufte man sich teuer. „Die Dresdner hielten sich allerdings wegen des bevorstehenden Europacup-Spiels etwas zurück. Beim 1:0 von Udo Korn sind einige Verteidiger beiseite getreten, um sich nicht zu verletzen", schmunzelt Matthias Kaiser.

Den nächsten Tiefpunkt gab es im FDGB-Pokal-Achtelfinale, das damals in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurde. Beim FC Rot-Weiß Erfurt gewann Gera mit 2:1, ließ sich allerdings zu Hause noch beim 0:2 die Butter vom Brot nehmen. „Das war blind. Im Viertelfinale hätten wir gegen DDR-Ligist Chemie Buna Schkopau gespielt und so beste Chancen auf Halbfinale gehabt", ärgert sich der Sohn des verstorbenen Manfred Kaiser, dem ersten DDR-Fußballer des Jahres noch heute.

Drei Unentschieden machen Hoffnung

Bei Wismut Aue gelang Anfang November beim 2:1 der einzige Saisonerfolg, mit dem die Geraer letztmals die Abstiegsränge verließen. Trotz Abstiegsplatz 14 zum Jahreswechsel tauchten mit Harald Irmscher und Matthias Kaiser noch zwei Geraer in der 55er-FuWo-Bestenliste der Hinrunde auf. Die zweite Halbserie verlief wesentlich trister. „Auswärts hielten wir oft gut mit wie in Magdeburg und Dresden, wurden aber zu Hause immer wieder klar geschlagen" so Matthias Kaiser, der sich auch noch an das verschobene Spiel gegen Wismut Aue erinnert: „Mir als zweitjüngstem Spieler haben sie nichts gesagt. Aber die anderen Spieler waren eingeweiht. Udo Korn lief wie Falschgeld auf dem Platz herum, wurde nach der Halbzeit mit der FuWo-Note 1 – es ging bis 10 – ausgewechselt. Durch den 2:0-Erfolg hatten die Veilchen den Klassenerhalt sicher." Mit der Negativbilanz von 6:46 Punkten – weniger holte kein anderer DDR-Oberligist bis 1991 – und 17:75 Toren stieg die Wismut-Elf ab und schaffte nie wieder den Sprung ins Oberhaus. „Es hat uns an vielem gemangelt. Die Kondition war nicht da. Vor allem war es aber die fehlende Durchschlagskraft im Angriff", sagt Matthias Kaiser. Für ihn selbst war die Oberliga-Saison sein Sprungbrett für die weitere Laufbahn. Er wechselte anschließend für fünf Jahre zum FC Carl Zeiss Jena, für den er 37 Oberliga- und zwei Europacup-Spiele bestritt. Der ganz große Durchbruch gelang aber auch ihm nicht.

Jens Lohse / 01.07.17
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