Erinnerungen vom Roten Hügel - Interview der Woche
Fußball-Urgesteine Volker Wengler und Udo Korn sprechen über ihre aktive Zeit und blicken in die Zukunft |
Am Sonnabend
um 15 Uhr stehen sich auf dem Weidaer Roten Hügel im Derby der
Fußball-Thüringenliga die SG Thüringen Weida und die BSG Wismut Gera gegenüber.
Im Vorfeld der Begegnung unterhielt sich Jens Lohse mit dem Weidaer
Rekordspieler Volker Wengler und Wismut-Urgestein Udo Korn:
Welche Erinnerungen kommen Ihnen ins Gedächtnis zurück, wenn Sie hier auf dem traditionsreichen Roten Hügel stehen? Korn: Einige. In unserer Aufstiegssaison 1976/77 haben wir gegen Fortschritt Weida nur 1:1 gespielt. Da drängten sich hier fast 5000 Zuschauer. Mit Absperrungsseilen ließ man die Leute näher ans Spielfeld, damit man alle unterbringen konnte. Ich stand leider nicht selbst auf dem Feld, war gesperrt. Auf jeden Fall haben wir nichts geschenkt bekommen. Wengler: Ich habe mein erstes Spiel bei den Männern bei Wismut Gera gemacht. Heinz Ernst war unser Trainer. Das muss 1979 gewesen sein. Ich war noch A-Junior und wurde eingewechselt. Ralph Gottschalk stand im Tor. Heinz Zubek und Udo Korn haben auch gespielt. Wir haben 0:1 verloren. Sie sprechen mit großem Respekt von Volker Wengler. Korn: Er war der beste Mann hier. Der hat uns angekotzt, egal ob als Spieler, Co-Trainer oder Trainer, weil er ein Dribbelkünstler, enorm schnell und deshalb nicht ausrechenbar war. Wengler: Ich war ein Individualist. Davon gibt es im modernen Fußball nicht mehr viele. Heute werden in Deutschland alle Talente in ein System gepresst. Das Ego und die Kreativität gehen verloren. Wenn Sie an den Weidaer Fußball denken, was fällt Ihnen noch ein? Korn: Wir haben hier viele heiße Schlachten geschlagen, hier mit Wismut oft auch nur unentschieden gespielt. Die Partien waren meist ausgeglichen und von beiden Seiten ziemlich hart geführt. Keiner wollte kleinbei geben. Oft waren wir mit dem einen Punkt auch zufrieden, den wir von hier mitgenommen haben. Verlieren war allerdings verboten, weil wir auch immer Spieler nach Weida abgegeben haben, die sich bei uns auf Dauer nicht durchgesetzt haben. Runkewitz, Peter Klammt, Heinzelmann, Srp oder Ehrhardt fallen mir da ein. Wengler: Bei den Derbys herrschte immer eine tolle Atmosphäre. Das waren die Höhepunkte der Saison. Da war der Adrenalin-Spiegel bei uns Spielern immer besonders hoch. Korn: 1984 hat uns Weida hier gewinnen lassen. Das war die Zeit, als die DDR-Liga von fünf auf zwei Staffeln umgestellt wurde. Da blieben nur die ersten sechs der zwölf Mannschaften in der zweithöchsten Spielklasse. Weida war praktisch schon abgestiegen. Für uns ging es um Rang sechs. Da gab es eine Anweisung von ganz oben aus höchsten Parteikreisen. Am Ende haben wir mit 2:0 gesiegt und wurden Sechster. |
Die
erfolgreichste Weidaer Saison war 1987/88. Der FDGB-Pokal sticht da heraus?
Wengler: Klar. Erst haben wir Stahl Riesa und sensationell Ex-Europapokalsieger 1. FC Magdeburg aus dem Wettbewerb geworfen. Gegen Riesa habe ich noch eine Halbzeit gespielt, war dann aber verletzt und konnte gegen Magdeburg nicht auflaufen. Haubold und Bickel haben da gestürmt und auch ins Schwarze getroffen. Im Elfmeterschießen hat dann Lauke den entscheidenden Elfmeter gegen Dirk Heyne verwandelt. Im Achtelfinale sind wir nach Bischofswerda gefahren. Ich habe uns in Führung gebracht. Nach 90 Minuten hieß es 1:1. Dann gab Schiedsrichter Stenzel in der Verlängerung einen mehr als strittigen Elfmeter für den Gastgeber und wir waren raus. Ich kann mich noch genau erinnern. Unser Ausscheiden war mehr als ärgerlich. Korn: Weidaer Trainer war damals übrigens Lutz Lindemann. Der hatte viele Spieler aus Zwickau geholt. Delling, Lauke und Hache haben Fortschritt damals stark gemacht. Wengler: Abgestiegen sind wir aber trotzdem aus der DDR-Liga-Staffel B. Obwohl Torwart Runkewitz am letzten Spieltag gegen Kali Werra Tiefenort in letzter Minute der 2:1-Siegtreffer gelang, hat es nicht gereicht. Mit 446 Einsätzen für die BSG Fortschritt und den FC Thüringen sind Sie der Weidaer Rekordspieler. Sie sind immer in Weida geblieben, warum? Wengler: Seit 1983 habe ich hier alles mitgemacht. Klar wurden auch andere Vereine auf mich aufmerksam. Es gab Angebote von Motor Nordhausen und auch von Wismut Gera. Aber warum sollte ich damals aus Weida weggehen. Uns Fußballern ging es richtig gut. Auch nach der Wende gab es einige Höhepunkte, wenn ich an die Spiele gegen die Bundesligisten Eintracht Frankfurt und 1. FC Nürnberg denke. Gegen Frankfurt haben wir 1:6 verloren. Ich habe das 1:0 erzielt. Die waren mit Binz, Bein und Yeboah bei uns. |
Der Rote
Hügel ist ein richtiges Schmuckkästchen geworden.
Wengler: Das stimmt. Über viele Jahre haben wir hier alles erneut, erst den Rasenplatz neu gestaltet, dann den Kunstrasen gebaut, jetzt den Sanitärtrakt saniert. Hervorheben muss man die hervorragende Zusammenarbeit mit der Stadt. Ohne diese Unterstützung wäre das alles nicht denkbar gewesen. Wie nahe stehen Sie Ihren Heimatvereinen noch? Korn: Ab und zu schaue ich am Steg vorbei. Fünf Jahre bin ich jetzt schon raus aus dem Tagesgeschäft. Klar interessiert mich, wie es bei Wismut läuft. Aber ich höre jetzt mehr als ich sehe. Zwischenzeitlich sollte ich den neuen Vorstand beraten, aber das ist irgendwie im Sande verlaufen. Wengler: Ich bin vor einigen Jahren aus dem Vorstand ausgetreten, den ich in der Not übernommen hatte. Viele alte Weidaer waren auf mich zugekommen und hatten mich gebeten, Verantwortung zu übernehmen. Das habe ich getan. Aber im Vorstand gab es kein Miteinander, mehr ein Gegeneinander. Das Vertrauen hat gefehlt. Wir haben Schulden abgebaut, den Verein wieder auf Kurs gebracht. Heute bin ich nur noch im Sponsoring aktiv. Wie geht das Derby am Sonnabend aus? Wengler: Wenn der Trainer ein paar taktische Änderungen vornimmt, hoffe ich auf einen Punkt. Aber wir sind krasser Außenseiter. Doch Derbys haben bekanntlich ihre eigenen Gesetze. Besonders motivieren muss der Trainer die Spieler hoffentlich nicht. Korn: Ich rechne mit einem klaren Sieg der Wismut vor einer hoffentlich großen Kulisse. Rico Heuschkel ist in Topform, hat in fünf Spielen schon zwölf Treffer erzielt. Ihn bekommen die Abwehrreihen nicht in den Griff. Sein Torriecher ist beeindruckend. Interview: Jens Lohse / OTZ / 18.09.2019 |