HISTORISCHES Eine Hand verhindert den Oberliga-Aufstieg |
Als am 31.05. vor genau 50 Jahren im Leipziger Bruno-Plache-Stadion
gegen 17.45 Uhr der Schlusspfiff der DDR-Liga-Partie 1.FC Lok Leipzig gegen die
Betriebssportgemeinschaft (BSG) Wismut Gera ertönte, hatten die Geraer Wismut-Fußballer vor 30.000
Zuschauern nach dem 0:1 (0:1) ihren dritten Aufenthalt im Fußball-Oberhaus, der
Oberliga, im letzten Moment verpasst. Dieser 31. Mai, heute genau vor 50 Jahren, war der letzte von 30 Spieltagen der zweithöchsten DDR-Spielklasse, die Wismut lange, bis zum 21. Spieltag sogar ungeschlagen, und mit zeitweise sechs Punkten Vorsprung angeführt hatte. An diesem 21. Spieltag nämlich, am Sonntag, dem 5 April 1970, hatte Wismut Gera bei der BSG Motor Eisenach anzutreten und verlor 0:2 nach bislang 16 Siegen und vier Remis das erste Mal in der Saison 1969/70. Da zur selben Zeit Verfolger Lok Leipzig bei Motor Steinach 3:4 unterlag, blieb den Geraern ihr Vorsprung erhalten. Leonhard Urban auf Geraer Seite stammt aus Eisenach, hob aber gegen seine Ehemaligen keineswegs die Füße. „Ich war auch gegen meinen ehemaligen Verein voller Ehrgeiz und wollte Paroli bieten. Im Sport kenne ich keine Nachsicht", sagt der am Donnerstag 78 Jahre alt gewordene ehemalige Leistungssportler heute. Damals gab es für einen Sieg bekanntlich nur zwei Punkte. In der Folge dieser Niederlage spielte Wismut gegen die ASG Vorwärts Leipzig (H), BSG Sachsenring Zwickau II (A), @Hallescher FC Chemie II (H), Motor Hermsdorf (H), Aktivist Kali Werra Tiefenort (A), den FC Carl Zeiss Jena II (H),Motor Steinach (A), Chemie Böhlen (H) und reiste mit einem Ein-Punkte-Vorsprung und dem schlechteren Torverhältnis am 31. Mai 1970 in die Messestadt. Erstmals die Tabellenspitze in der damaligen Staffel Süd der DDR-Liga hatte die von Manfred Kaiser - 1963 erster „DDR-Fußballer des Jahres" und 2017 88-jährig verstorben - betreute Elf am letzten Spieltag der Hinrunde übernommen. Ausgerechnet natürlich gegen Oberliga-Absteiger Lok Leipzig gewannen die Geraer im Dezember 1969 vor 10.000 Zuschauern im Geraer Stadion der Freundschaft 3:1, wurden Spitzenreiter und blieben dies bis zum letzten Spiel in Leipzig. |
Sieben Spieltage vor Ultimo der Liga-Saison, im April
1970, hatte es den Anschein, als ob Wismut Gera als Tabellenführer nicht mehr einzuholen
war. Zunächst gewannen die Schwarz-orangenen bei der heimstarken BSG
Sachsenring Zwickau II, die bis dato alle ihre Heimspiele gewonnen hatte, mit
2:0. Mit sechs Punkten Vorsprung vor Leipzig ging es in die schweren sieben Restpartien, die schon im folgenden Heimspiel gegen Halle II ahnen ließen, was auf Wismut zukommen würde. 0:1 unterlag der Spitzenreiter vor 5.000 Zuschauern daheim und verlor seit 1967 nach fast drei Jahren ohne Niederlage zuhause erstmals wieder ein Spiel. Der Gegner am 7. Mai 1967 hatte übrigens HFC Chemie I geheißen. Vor dem Spiel gegen Halle II hatte Manfred Kaiser gewarnt: „Sechs Punkte Vorsprung sind viel, können aber auch ganz schnell wieder weg sein... gegen nicht gerade bequeme Mannschaften benötigen wir nun volle Konzentration." Es folgten nicht nur unbequeme Gegner, sondern auch Verletzungen und Sperren. Hoppe, Trommer und Reinicke fielen verletzt aus, Milek war am 26. Spieltag herausgestellt wurden. Ein 0:2 im Tiefenorter Kaffeetälchen bei FSV Kali Werra Tiefenort und ein 0:0 gegen SV Chemie Böhlen daheim am vorletzten Spieltag kosteten wertvolle Punkte. Es blieb nur noch ein Zähler gegenüber Leipzig als Vorteil vor dem Finale. 13 Uhr machte sich die Geraer Delegationmit einem Bus der Firma Fritz Fleischer mit Spielerfrauen auf den Weg zum 16 Uhr beginnenden Spiel in Leipzig-Probstheida. Eingestimmt auf die wichtige Woche hatte der Trainer die Mannschaft bereits am Montagvormittag in der Mannschaftsbesprechung. Ein wichtiger Punkt darin war das Verhalten der Spieler in der „Woche der Wahrheit". Das schwere und entscheidende Spiel um den Aufstieg musste ohne die Stammkräfte Gerhard Hoppe (1980 Endspieltorschütze für Jena gegen Tblissi im Europapokal) und Siegward Reinicke (im Vorjahr verstorben) bestritten werden. Wismut spielte taktisch klug, ließ vor allem die späteren besten Staffeltorschützen Löwe/20, Geisler und Frenzel/beide 17 - allesamt Nationalspieler - kaum zur Entfaltung kommen. So schoss eine Minute vor der Pause eben einer das Tor, dem an 29 Spieltagen zuvor nicht ein einziges gelungen war: Jürgen Czieschowitz. Die Geraer bäumten sich in der Folge leidenschaftlich auf, waren nahe am Ausgleich dran, der den Aufstieg bedeutet hätte. In der 58. Minute schien es aber zu klappen. Leo Urban, bester Geraer Torschütze dieser Saison, zog einen Seitfallzieher Richtung Lok-Tor. Keeper Friese war schon geschlagen, dafür rettete der lange Gießner den Ball klar mit der Hand vor der Torlinie und verhinderte so den Einschlag. Doch Wismut wurde der fällige Strafstoß verweigert, obwohl Gießner „..im Stile eines Torwarts" - so Leo Urban heute - gerettet hatte. Es blieb beim glücklichen 1:0 für Lok, dass damit nach einem Jahr Abstinenz in der Oberliga wieder dorthin zurückkehrte. Wismut Gera musste wiederum sieben Jahre warten. In der Saison 1969/70 kamen nur diese 17 Spieler zum Einsatz: Heinzel, Tenneberg, Heetel, Hergert, Milek, Hoppe, Hermus, Krause, Kosmanek, Robe, Egerer, Trommer, Urban, Reinicke, Richter, Feetz und Elmecker. Foto: Der damals beste Wismut-Torschütze mit 14 Treffern war Leo Urban, der seit letzten Donnerstag 78 Jahre alt ist. Foto und Text: Manfred Malinka |