In der Geschichte gekramt - Mit dem Sir in einem Team
Der 71-jährige Werner Schorrig spricht über die Oberliga-Saison 1977/78 bei Wismut Gera und seine fußballerische Laufbahn |
"An mein einziges Oberliga-Tor kann ich mich noch gut erinnern. In
Karl-Marx-Stadt am zweiten Spieltag hat mir Matthias Kaiser den Ball von der
Grundlinie aufgelegt und ich habe aus sieben Metern mit dem Innenspann unter
die Latte verwandelt. Das war das 1:0. Neun Minuten vor Schluss haben wir noch
den Ausgleich kassiert", erzählt Werner Schorrig in seiner Lusaner
Wohnung. Der 71-Jährige hatte für Wismut Gera in der DDR-Oberliga-Saison 1977/78 19 Partien bestritten und einen Treffer erzielt. Beim FC Karl-Marx-Stadt räumte er nach 78 Minuten das Feld. Gerd Struppert wurde für ihn eingewechselt, konnte das 1:1 aber nicht verhindern. "Hinterher habe ich mein erstes Fernseh-Interview gegeben. Gottfried Weise hat mich gefragt, ob ich Torschützenkönig werden will. Ich habe abgewunken. Denn eigentlich war ich gar kein waschechter Stürmer", so Schorrig, der erst in der Sommerpause zu den Orange-Schwarzen gestoßen war. Bei einem Hallenturnier im Winter zuvor in Dessau hatten Klaus Memmler, Achim Posselt und Gerhard Waidhas zu ihm Kontakt aufgenommen. "Wir hatten das Turnier im Jahr zuvor mit Aufbau Schwedt im Finale gegen Oberligist Rot-Weiß Erfurt mit 3:2 gewonnen", erinnert sich der Offensivspieler, den das Angebot aus Ostthüringen reizte. Zuvor hatten sich angedachte Verpflichtungen vom Halleschen FC oder Chemie Leipzig zerschlagen. Nun hieß es für den damals 27-Jährigen erstmals, in der Oberliga aufzulaufen. "Die sportlichen Bedingungen in Gera waren gut. In einem Team mit Ex-Nationalspieler Harald Irmscher zu stehen, das hat mir viel gegeben. Und der Sir - wie ihn alle nannten - hatte auch am Ende seiner Laufbahn nichts von seinem Ehrgeiz eingebüßt. Jedes Trainingsspiel wollte er gewinnen", weiß Werner Schorrig noch. |
Der Start in die Oberliga-Saison verlief aus Wismut-Sicht
vielversprechend. Dem Auftakt-0:0 gegen Rot-Weiß Erfurt folgte das oben
erwähnte 1:1 in Karl-Marx-Stadt und ein weiteres 2:2-Unentschieden gegen
Vorwärts Frankfurt/Oder. "Da hätte ich auch ein Tor machen können. Das vermeintliche 3:2 von Gerhard Hoppe wurde damals wegen einer angeblichen Abseitsposition nicht gegeben", erinnert sich der Angreifer, den anschließend das Schiedsrichter-Trio um Referee Gerhard Bude bis nach Halle im Auto mitnahm, weil Schorrig zu seinen Eltern nach Eisleben unterwegs war, wo er einst bei Stahl in der Bezirksliga gekickt hatte. Den einzigen Saisonerfolg der Geraer gab es am neunten Spieltag in Aue. "Ausgerechnet beim 2:1-Auswärtssieg war ich nicht dabei, weil ich nach einer vorherigen Verletzung in der Nachwuchsoberliga zum Einsatz kam", so Schorrig, der gemeinsam mit Matthias Blaseck mit dem Trabant ins Erzgebirge gefahren war, da beide hinterher noch etwas vorhatten. "Das war im Nachhinein nicht verkehrt. Denn die aufgebrachten Auer Fans haben nach der Niederlage den Geraer Bus mit Steinen beworfen, wobei auch eine Scheibe zu Bruch ging. Es war eben das Wismut-Derby", erinnert sich Werner Schorrig. In den verbleibenden 17 Oberliga-Begegnungen holten die Geraer nur noch einen Zähler und stiegen sofort wieder ab. Der Angreifer, der eigentlich eher Mittelfeldspieler war ("Ich war nicht explosiv genug im Antritt, kam mehr über die Ausdauer und die gewonnenen Zweikämpfe"), in Schwedt auch mal Rechtsverteidiger gespielt hatte, blieb noch drei Liga-Spielzeiten bei Wismut. 1979/80, als es die Geraer noch einmal in die Aufstiegsrunde schafften, aber als Vierter an Hansa Rostock und Chemie Böhlen scheiterten, war er mit 14 Treffern erfolgreichster Torschütze der Orange-Schwarzen. E in Jahr zuvor hatte man zu Ostern den Staffelsieg verspielt, als es in Weimar (1:2) und Suhl (1:4) nacheinander nicht nur Niederlagen gab, sondern auch noch Werner Schorrig (in Weimar) sowie Matthias Blaseck und Udo Korn (beide in Suhl) des Feldes verwiesen wurden. 1981 zog Werner Schorrig zum Liga-Aufsteiger Stahl Silbitz weiter. Trainer Siegfried Haltenhof hatte mit Auslandsreisen nach Essen und Kopenhagen gelockt, die es dann aber nicht mehr gab. Mit immer stärkeren Hüftbeschwerden konnte der Routinier, der als Sportinstrukteur im Stahlwerk angestellt war, der Mannschaft kaum helfen und den Abstieg nicht verhindern. Nach zwei weiteren Jahren in der Bezirksliga beendete er 1984 seine aktive Laufbahn, blieb aber noch bis 1987 in Silbitz, wo er die letzten eineinhalb Jahre auch mit Manfred Kaiser zusammenarbeitete. Anschließend betreute er Wismut Gera II als Übungsleiter. Nach der Wende führte er Carl Zeiss Gera in die Bezirksklasse, trainierte den FC Thüringen Weida und den TSV Gera-Westvororte. Foto und Text: Jens Lohse
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